Grundlage der Modelle und Karten bilden dreidimensionale Geländevermessungen und langjährige Messwerte (Zeitreihen) über die Wasserstände und Abflussmengen. Dabei konnte man aber nicht wie am Rhein oder anderen großen Flüssen auf Daten aus vielen Jahrhunderten zurückgreifen, auf das Wissen über mittlere (etwa alle 100 Jahre) und extreme (200 bis 1.000 Jahre) Hochwasserereignisse.
Ganz anders ist die Lage an kleineren Gewässern wie der Sülz. Erst am 1.6.1949 hat man einen Pegel an der Sülz installiert und kann somit seit 1950 auf kontinuierliche Meßreihen zurückgreifen. Schon allein deshalb sind die Berechnungen für die Sülz unsicherer. Die Pegeldaten können abgerufen werden über mehrere Quellen, die Hochwassermeldezentralen, über das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW http://luadb.it.nrw.de/LUA/hygon/pegel.php?stationsname=Hoffnungsthal&ersterAufruf=aktuelleWerte , über http://www.hochwasser-rlp.de/karte/einzelpegel/flussgebiet/sieg/pegel/HOFFNUNGSTHAL und zukünftig auch über den Aggerverband.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Hochwasserhistorie nach dem II. Weltkrieg.
Am 12.10.1960 ereignete sich ein bedeutendes Hochwasser: der Pegel Hoffnungsthal verzeichnete einen Höchststand von 342 cm (Abflüsse: 85,8 m³/s). Die Bergische Landeszeitung berichtete am 14.10.1960 unter der Überschrift „Im Sülztal Deichüberflutung verhindert“, dass nur durch den Einsatz der Feuerwehren der Bundeswehr eine Deichüberflutung bei Lehmbach verhindert werden konnte. Auch in Steinenbrück und Altenbrück entstanden große Schäden.
Daraufhin wurden neue Maßnahmen zu einem hochwassergerechten Ausbau der Sülz geplant. Dabei lehnte man sich bei den Berechnungen der Abflussmengen – da die Werte für die Sülz fehlten – bei der Berechnung an die Abflussmengen der Agger an. Am 29.08.1969 erreichte der Pegel fast schon wieder diese Höchstmarke. Knapp ein halbes Jahr später, am 22. Februar 1970, wurde der bisher höchste Pegelstand gemessen: 392 cm (das Mittelwasser der Sülz beim Pegel beträgt 88 cm – ein mittleres Hochwasser wird mit 262 cm erreicht).
Kölnische Rundschau, 23.02.1970: „Die große Flut kam. Katastrophenalarm“ berichtet mit Text und Fotos von der notwendigen Sperrung der B55 und wie die Feuerwehr in Altenbrück mit Schlauchbooten die Leute aus ihren Häusern rettete. Die Bergische Landeszeitung titelt am 24.2.1970 „Nach der großen Sintflut werden die Verwüstungen sichtbar“: „In Immekeppel und Untereschbach waren alle Betriebe und Privathäuser im Talbereich der Sülz überschwemmt.“ Schwere Schäden wurden u.a. auch von der Firma Paja-Kunststoffe in Lehmbach gemeldet sowie die Überflutung der Erdgeschosse der neuen „Kewo“-Siedlung.
Während der gesamten Nachkriegszeit bis fast zur Jahrtausendwende und zum Teil darüber hinaus dominierte ein Denken, dass die Natur als widerspenstigen Gegner betrachtete, den man mit ingenieurwissenschaftlichen Mitteln bändigen müsse: Begradigung von Flussläufen, Kanalisierung, Betonierung, und immer wieder der Bau und die Erhöhung der Dämme waren die Mittel, mit denen man der Natur zu Leibe rückte und die Hochwassergefahr bannen wollte. Die Flussauen wurden immer weiter bebaut und notfalls sollte als Ausgleich ein Retentionsbecken herhalten. Erst die Flutkatastrophen in den neuen Bundesländern und die Rheinhochwasser in den 90er Jahren leiteten bei den Verantwortlichen ein langsames Umdenken ein.
Tatsächlich erhöhte man mit diesen Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit von Hochwassern: Begradigungen von Flussläufen, die Kanalisierung und Betonierung erhöhen die Fließgeschwindigkeit. Je mehr Zuflüsse eines Flusses auf diese Art verändert werden, um so schneller strömen diese Wassermassen zusammen und erhöhen kumulativ den Pegel. Dies ist besonders kritisch bei kleinen Fließgewässern in (eingengten) Tälern wie der Sülz. Während man sich z.B. in Köln mehrere Tage auf das Eintreffen einer Flutwelle vorbereiten kann, muss dies bei der Sülz teilweise in wenigen Stunden passieren. So ist am 20.06.2013 der Pegel Hoffnungsthal nach einem Starkregen von 45 cm um 12:50 auf 240 cm um 18:00 gestiegen, also um fast zwei Meter in wenig mehr als fünf Stunden!
2003 legte die Bezirksregierung Überschwemmungsgebiete neu fest. Der Aggerverband korrigierte damals die Spitzenmarken für hundertjährliche Hochwasser an Agger und Sülz um einen Meter und mehr nach oben! (KStA 04.01.2003, S. 13 – Artikel: Rausch, Thomas: Fürs Hochwasser nicht ausreichend gerüstet. Neue Überschwemmungsgebiete werden ausgewiesen. Voss, Katrin: Gefahren in der Kesellage). Die Stadt Rösrath musste eine vorgesehene großflächige Bebauung an der Jahnstraße aufgeben. Der geplante Lidl-Markt in Untereschbach und eine Reihe von Wohnhäusern in Oberauel aber wurden trotz der neuen Kenntnisse und Karten gebaut – teilweise unter Verweis auf mögliche Schadenersatzforderungen.
Bezirksregierung und Aggerverband traten zu diesem Zeitpunkt mit einem neuen Selbstverständnis nach außen auf – als Interessenvertreter natürlicher Flussläufe: „Das war nicht immer so, räumt Scholemann ein. Schließlich sei vor zwanzig Jahren Hochwasserschutz fast gleichbedeutend mit Deichbau gewesen. Das war der falsche Weg, sagt Ellen Gnaudschun. Sie arbeitet an Projekten, bei denen Flüsse wieder mehr Platz zum mäandern bekommen: Langsam soll das Wasser durch viele Schleifen fließen. Ein solcher Fluss kann bei Hochwasser jede Menge Wasser halten – ein eingedeichter Verlauf macht aus dem Fluss einen reißenden Strom.“ (Niewels, Matthias: Fluss muss die Kurve kriegen. KStA 21.02.2003. Hubert Scholemann und Ellen Gnaudschun sind Verantwortliche des Aggerverbands).
Gemessen werden müssen sie natürlich an ihren Taten, und das ist beim Aggerverband mit Rücksicht auf seine kommunalen Mitglieder manchmal durchaus umstritten.