Teil 1: allgemeine Grundlagen der Lärmkartierung
Grundlagen allgemein
Mit der EU-Umgebungslärmrichtlinie gibt es einen gemeinsamen europäischen Ansatz zur Minderung der Lärmbelastung der Bevölkerung. Dabei werden nach einheitlichen Verfahren Lärmschwerpunkte durch eine umfangreiche, strategische Lärmkartierung ermittelt. Auf Grundlage der Lärmkarten werden unter aktiver Mitwirkung der Öffentlichkeit Lärmaktionspläne aufgestellt.
Umsetzung in Deutschland
Die Umgebungslärmrichtlinie ging mit einer Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in deutsches Recht über. Der sechste Teil des BImSchG „Lärmminderungsplanung” umfasst die Paragrafen 47a bis 47f und beinhaltet – neben Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen – Aussagen zu Zuständigkeiten, Zeiträumen und Anforderungen an Lärmkarten und Lärmaktionspläne.
Lärmaktionspläne sind zur Regelung von Lärmproblemen und Lärmauswirkungen aufzustellen. Gemeint sind damit belästigende oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die gemäß § 47 b Satz 1 Nr. 1 BImSchG als Umgebungslärm bezeichnet werden.
Diese Kriterien sind erfüllt, sobald Lärmkarten vorliegen. Daher sind Lärmaktionspläne für alle Bereiche aufzustellen, für die Lärmkarten vorliegen, unabhängig davon, wie hoch die Lärmpegel in den betreffenden Bereichen sind und ob und wie viele Menschen vom Lärm betroffen sind. Ein Ermessensspielraum besteht nur bei der Frage, ob und welche Maßnahmen vorgesehen werden, nicht aber bei der Aufstellung des Lärmaktionsplans.
Die Städte und Gemeinden veröffentlichen Ihren Lärmaktionsplan und erteilen Auskünfte über ihre Planung.
Bei einem Lärmaktionsplan handelt es sich um ein städtisches Gesamtkonzept. Der Lärmaktionsplan ist kein einzelner Plan, den man – wie etwa einen Flächennutzungsplan – an die Wand hängen und betrachten kann. Der Lärmaktionsplan besteht aus dem Maßnahmenplan und weiteren dazugehörigen Unterlagen, wie z.B. dem Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung.
Die EU-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten bei der Lärmaktionsplanung zu größtmöglicher Transparenz. Die Öffentlichkeit soll die Möglichkeit erhalten, an der Ausarbeitung der Lärmaktionspläne aktiv mitzuwirken. Dazu müssen die zuständigen Behörden die Lärmkarten – auch unter Einsatz der verfügbaren Informationstechnologien – zugänglich machen. Die Öffentlichkeit kann sich über die Lärmsituation informieren und anschließend ihre Interessen zur Lärmminderung in die Lärmaktionspläne einbringen.
Phase 1 der Öffentlichkeitsbeteiligung
Die Öffentlichkeit wird frühzeitig eingeladen, an der Lärmaktionsplanung mitzuwirken. Dazu werden folgende Informationen zur Verfügung gestellt:
- die Ergebnisse der Lärmkartierung (Karten mit Bericht zu den Ergebnissen)
- die Erforderlichkeit der Planaufstellung bzw. Planüberprüfung
- die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung
- ggf. der zu überprüfende Lärmaktionsplan und
- ggf. verschiedene Vorschläge zur Lärmminderung und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung jeweiliger Maßnahmen
Die Ergebnisse der Mitwirkung sind zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass sich die zuständige Behörde mit den Anregungen inhaltlich auseinandersetzen muss. Die Anregungen müssen nicht zwingend in den Lärmaktionsplan einfließen.
Phase 2 der Öffentlichkeitsbeteiligung
Ortsübliche Bekanntmachung des Lärmaktionsplanentwurfes bzw. der Überprüfung des Lärmaktionsplans
- Gelegenheit für die Öffentlichkeit sich innerhalb einer angemessenen Frist erneut zu äußern
- Berücksichtigung der Eingaben bei der Entscheidung über die Annahme des Plans
Für einen erfolgreichen Lärmaktionsplan ist es erforderlich, dass alle Beteiligten eng kooperieren. Daher sollte bereits in der Phase 1 der Öffentlichkeitsbeteiligung auch eine Beteiligung anderer Behörden bzw. Fachämtern usw. erfolgen.
Der Maßnahmenkatalog des Aktionsplanes ist das zentrale Element zur Verbesserung der Lärmsituation. Welche Maßnahmen zur Lärmminderung in Frage kommen, hängt oft von verschiedenen Faktoren ab. Meist ist eine Kombination mehrerer Maßnahmen erforderlich, um eine Verbesserung der Situation zu erzielen.
Lärmkartierung: Zu den Lärmkarten
Zu den Lärmkarten der 4. Runde 2022
Für jeden Ort mit bestehenden Lärmkartierungen können die Lärmkarten zu den Qualitäten des Umgebungslärms (Straße, Schiene, Flug, Industrie) hier eingesehen werden.
Für die verschiedenen Lärmquellen (Straßen, Schienen, Flughäfen und Industrie und Gewerbe) gibt es jeweils spezielle Berechnungsmethoden, nach denen die Ermittlung der Schallpegel erfolgt.
Datengrundlagen Straßenverkehrslärm
Ein europaweit harmonisiertes Berechnungsverfahren (CNOSSOS-EU) ist seit dem 31. Dezember 2018 vorgeschrieben und kommt erstmals bei der vierten Runde der Lärmkartierung 2022 zur Anwendung. Daher sind die Lärmkarten der 4. Runde nicht mit den Lärmkarten der vorherigen Runden vergleichbar.
Die Berechnungsverfahren berücksichtigen neben den jeweiligen Quellgrößen (z.B. Verkehrsstärke und -zusammensetzung, Geschwindigkeit, Straßenoberfläche) auch die Ausbreitungsbedingungen (z.B. Abstand von der Straße, schallmindernde Hindernisse, Einfluss des Geländes).
Die Anzahl der lärmbetroffenen Menschen in Wohnungen, die innerhalb der jeweiligen Isophonen-Bänder liegen, wird ab der vierten Runde nach der „Berechnungsmethode zur Ermittlung der Belastetenzahlen durch Umgebungslärm“ (BEB) ermittelt.
Ab der 4. Runde enthalten die Lärmkarten zudem Angaben über die geschätzte Zahl der Fälle
- ischämischer Herzkrankheiten,
- starker Belästigungen und
- starker Schlafstörungen.
In Nordrhein-Westfalen sind die Städte und Gemeinden für die Lärmkartierung zuständig.
Die Gemeinden werden bei der Berechnung der Lärmkarten durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW) unterstützt. Das LANUV betreibt eine moderne Lärmdatenbank mit den notwendigen Daten für die Lärmkartierung und berechnet die Lärmkarten.
Das LANUV nutzt Daten des Landesbetriebs Straßenbau NRW (Straßen.NRW), von GeoBasis.NRW, IT.NRW (CENSUS), Bezirksregierungen sowie den Kommunen.
- Verkehrsmengen und – zusammensetzung
- Geschwindigkeitsbegrenzungen
- Straßenoberfläche
- Geodaten mit Höhenangaben zur Abbildung der Geländeoberfläche und Steigungen
- schallmindernde Hindernisse – Lärmschutzbauwerke
- Gebäudedaten
Der Hauptaufwand (90 %) bei der Lärmkartierung entsteht bei der Datenerhebung und Datenaufbereitung.
Die Qualität der Kartierungsergebnisse hängt entscheidend von der Qualität der Eingangsdaten ab. Deshalb ist die Qualitätssicherung der Daten sehr wichtig. Das LANUV erfasst die landesweit verfügbaren Geo- und Verkehrsdaten für die Lärmkartierung, prüft sie auf Plausibilität und veredelt diese zu dem akustischen Modell, das der Schallausbreitungsrechnung zugrunde gelegt wird. Die Qualitätssicherung erfolgt durch vordefinierte Prüfspezifikationen mit automatisierten Abfragen und Sichtprüfungen. Die zuständigen Städte und Gemeinden können mittels einer zur Verfügung gestellten WebGIS-Anwendung die Eingangsdaten ebenfalls nochmals überprüfen und ggf. korrigieren und ergänzen.
Straßenverkehrslärm
In den Lärmkarten „Straße“ werden die Lärmbelastungen für Hauptverkehrsstraßen (Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen) mit einem Verkehrsaufkommen von über 3 Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr dargestellt.
Berechnet werden die Lärmkarten für Hauptverkehrsstraßen auf Grundlage von Verkehrsmengen aus der Bundesverkehrswegezählung. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) erhebt diese Zahlen regelmäßig in einem 5-jährigen Turnus.
Anmerkung:
„Dieser Turnus ist z.B. 2015-2020-2025. Da die Zahlen für 2020 (und 2021) u.a. dtl. coronabedingte Verzerrungen/Rückgänge aufweisen, also eine nicht zuverlässige Datenbasis darstellen, wurden vom LANUV für den LAP 4. Runde statt der aktuellsten Zahlen aus 2021 überwiegend die Daten aus einer Hochrechnung für 2019 ausgewählt. Warum dies nicht für Rösrath passiert ist bleibt ungeklärt“ (= tel. Auskunft des LANUV – Aufgabenschwerpunkt EU-RL Umgebungslärm – nach einer Anfrage unseres Vereins von April2024).
Alle Modell- und Ergebnisdaten werden über das Internet den Kommunen zum Download zur Verfügung gestellt. Diese Daten dienen den Kommunen als Grundlage für die Lärmaktionsplanung. Mit den Daten können die Potenziale verschiedener Maßnahmen zur Lärmminderung berechnet werden.
https://www.nwsib-online.nrw.de/
Kartierung der Verkehrswegezählungen von 2019 (KFZ/Tag bzw. Schwerlastverkehr/Tag) am Beispiel Rösrath
(Die Zahlen sind eine Hochrechnung für 2019, die den Corona-Effekt der Zahlen von 2021 nicht enthalten und daher vom LANUV für den LAP 4. Runde empfohlen wurden)
https://www.nwsib-online.nrw.de/
Kartierung der Verkehrswegezählungen von 2021 (KFZ/Tag bzw. Schwerlastverkehr/Tag) Schwerlast/Tag) am Beispiel Rösrath, Ortsdurchfahrten gelb markiert!
Die Karte weist für 2021 im Abschnitt der L284 in Hoffnungsthal zw. der Hofferhofer Str. und Lehmbach KFZ-Zahlen < 3 Mill. (7536×365=2,75 Mill.) aus, weshalb dieser Bereich für die 4. Runde des LAP aus der Lärmkartierung verschwindet und somit betr. Lärm offiziell ohne Bedeutung ist – unabhängig davon, wie hoch der Lärm tatsächlich ist/war und dass diese Zahlen von 2021 wegen Corona klar hinterfragt werden müssen.
(Die 2021-Zahlen sind durch Corona „falsch“ niedrig, weshalb sinnvollerweise die für 2019 hochgerechneten Zahlen für den LAP 4. Runde herangezogen werden sollten.)